Durch die Vizentiner Alpen, von Rovereto zum Pasubio

Vier Tage auf dem „Sentiero Della Pace“ – Ein Friedensweg

Was für ein Erlebnis! Was soll man sagen, eine Traumtour durch die „Piccole Dolomiti“, egal ob für Bergtourengeher oder Naturliebhaber und Europäische Geschichte gibt’s auf Schritt und Tritt gratis dazu. Selbst Klettersteige könnte man in die Tour einbauen. Wirklich sensationell sind jedoch die sich ständig
bietenden Ausblicke auf die gletscherbedeckten Flächen der Adamello-Gruppe, auf Presanella- und Brenta-Berge bis hin zum gesamten Alpenhauptkamm. Damit nicht genug, schaut man ausgehend vom
südlichen Ausläufer des Gardasees auf die gesamte Po-Tiefebene von Vicenza über Padua bis zur Lagune von Venedig und auf die Adria.

Obwohl es sich hier um die südlichen Ausläufer der Alpen handelt, sind die Höhen der An- und Abstiege durchaus beachtlich, die Wege und Steige auch technisch nicht zu unterschätzen. Gute Kondition, Trittsicherheit und eine gute Geländekenntnis, bedingt durch teils schlechte Ausschilderungen,
sind Grund-Voraussetzung für diese Tour. Die vier Etappen auf dem „Sentiero Della Pace“ (Friedensweg),
dem übrigens bedeutendsten Fernwanderweg Italiens, führten uns von Rovereto (207 m), immer entlang
des Grenzverlaufes zwischen den heutigen Provinzen Trentino und Vicenza bis zum Passo della Borcola (1.207 m) – Historisch meist auf alten Kriegssteigen immer entlang der bis 1918 existierenden Grenzen zwischen der damaligen K. & K-Monarchie Österreich-Ungarn und dem Königreich Italien. Dabei war gerade hier einer der erbittert umkämpftesten Frontabschnitte des 1. Weltkrieges.

Also Auf‘i geht’s, erst durch liebliche Landschaften auf Höhe des Gardasees, meist recht steil bergan, durch dichte Wälder zu den mitunter recht schroffen Gipfeln bis in Höhen um 2.250 m Höhe. Schon die
erste Etappe von der 40.000 Einwohnerstadt Rovereto zum Rifugio „Coni Zugna“ auf 1.616 m hat es mit ca. 1.400 hm Aufstieg in sich. Aus der historischen Altstadt heraus geht es erst über kleine Straßen, steile Bergwege und durch dichte Wälder in direkter Linie zur ersten Hütte. Schöne Ausblicke
schon hier garantiert. Dehnungsübungen und leichte Muskelbeschwerden auch.

Nach der ersten Übernachtung, nur mit einer kleinen Pfadfinder-Kindergruppe, ging‘s dann über den Monte Zugna (1.865 m) und seinen restaurierten Kriegsstellungen, in stetigen auf und ab, weiter zum Bivacco Sinel (1.990 m) und hinauf zum aussichtsreich freistehenden Rifugio „Mario Fraccaroli“ (2.238 m). Von hier noch kurz auf den Gipfel des Cima Carega (2.259 m) und da wir leider keine Übernachtung bekommen konnten, stiegen wir gleich weiter, steil bergab über rutschende anstrengende Schotterrinnen, zum Rifugio „Campogrosso“, auf nun wieder 1.440 m. Der Wirt, lies an diesem Abend nur für uns sein Rifugio offen – auch wieder so eine Geschichte, die vielleicht mal erzählt gehört. Und was soll ich sagen, nach 9 h, ca. 22 km, 1.210 hm auf, 1.360 hm ab, folgte noch ein Top Abend mit sehr gutem Essen, italienischem Wein und folgendem Tiefschlaf in schönen Zimmern. Alles richtig gemacht!

Tags darauf war die Etappe zum Rifugio „A. Papa“ (1.928 m) dafür etwas kürzer und wir konnten, beginnend an dieser ebenfalls außergewöhnlich stehenden Hütte, noch einen kleinen Abstecher auf der „Strada delle 52 Gallerie“ gehen. Hier führt ein schmaler Kriegssteig, teils seilversichert und immer ordentlich ausgesetzt, 6.550 m lang durch 52 aus dem Felsen gehauenen Tunnel mit einer Gesamtlänge von 2.280 m im Berginneren, entlang fast senkrechte Felswände – was für ein Tagesabschluss! Gleichfalls spiegelt sich hier der ganze Wahnsinn eines Krieges wider, der am folgenden Tag am Pasubio noch drastischer zutage treten sollte. Übrigens, 5 h, 11 km bei 1.205 hm auf und 735 hm ab, waren es auch heute wieder – ohne die 52 Tunnel.

Der letzte Berg-Tag begann wiederum mit strahlendem Sonnenschein und einem Aufstieg zu den Gipfeln des Pasubio-Massivs – dem eigentlichen Ziel unserer Tour. Hier, auf dem Pasubio, die höchste Spitze ist der Cima Palon mit 2.232 m, standen sich auf dem „Dente Italiano“ (2.220 m) und dem „Dente Austriaco“ (2.203 m) die beiden Kriegsparteien Österreich-Ungarn und Italien direkt gegenüber. Teils lagen die Stellungen nur wenige Dutzend Meter auseinander. Der Krieg kostete allein hier ca. 10.000 Soldaten das Leben. In die Geschichte ging der Berg auch ein, weil hier durch einen von den Österreich-Ungarischen Truppen in den Berg getriebenen Tunnel unter die italienische Platte, welcher mit 50 Tonnen Sprengstoff gefüllt wurde, am 13. März 1918 ein Großteil des Gipfelaufbaus des „Dente Italiano“ weggesprengt wurde.
Allein an diesem Tag soll es bis zu 800 Tote geben haben. An der Frontlinie änderte sich jedoch – und dass bis zum Ende des Krieges – nichts.

Heute sieht man hier, neben den noch vorhandene Stellungen, Schützengräben und Bombenkratern, überall Kreuze, Stehlen, Inschriften und Erinnerungen an Kaiserjäger, Gebirgsschützen und Alpini. Geschichte ist hier noch sehr lebendig, doch die Natur holt sich alles wieder zurück und die am Anfang beschriebenen Aussichten – von hier oben sieht man sie fast alle – einfach grandios. Was folgt ist ein langer, teils recht ausgesetzter Abstieg über die Malga Bisorte zur ex Malga Costa – etwas unterhalb an einem kleinen Brunnen sollte man unbedingt Rast machen – und zum Borcola-Pass auf nun wieder
1.207 m. Vor der Rückfahrt nach Rovereto gab‘s auf der Malga Borcola noch ein kühles Radler, dann folgten wir der kleinen Passstraße nochmals ca. 5 km bis zur ersten Bushaltestelle in Soldati, einem Ortsteil der Gemeinde Terragnolo im gleichnamigen Tal. Höhe nun 850 m ü. NN! Damit waren es dann heuer nochmals ca. 6 h, 16 km, 610 hm auf und 1.610 hm ab. Bus um 15:45 Uhr, Top!

Bei einer letzten Übernachtung, jetzt im Hotel Rovereto – sehr nobel – ließen wir die Tour noch mal Revue passieren. Bedingt durch erhebliche Schneefälle am Alpenhauptkamm hatten wir die eigentlich geplante Tour in der Riesenfernergruppe leider nicht machen können und waren weit in den Süden ausgewichen. Belohnt wurden wir nicht nur mit Traumwetter, sondern vor allem mit einer wohl einmaligen Tour durch eine hochalpinemBergwelt, mehrere Vegetationszonen, vielen freundlichen Menschen und tollen Hütten,
Geschichte und Geschichten inbegriffen. Dabei waren: Gunther Strohbusch, Frank Henkel, Jörg Fürst, Gunter Ungerecht und Anton Brandmaier. Eine Gemeinschaftstour der Sektion Meiningen des Deutschen Alpenvereins e.V.

Tourendetails

16.09.2022 - 21.09.2022

12:00 Uhr

Tourenkennung:
Durch die Vizentiner Alpen

Fasziniert von den Bergen und als langjähriger Tourengeher bin ich erst 2008 in den Alpenverein eingetreten. Als gebürtiger Meininger natürlich in „unsere“ Sektion. 2009 wurde ich zum Stellvertretenden und 2010...