Die klassischste aller Touren – Von Garmisch-Partenkirchen durch das Rheintal zu Deutschlands höchstem Punkt
Im September 2000, war der Plan, das muss man einmal im Leben gemacht haben. Auf dem Weg der Erstbesteiger (wer auch immer das war) wollen auch wir, dass sind Norbert, Karl-Heinz, Jörg und Gunter, den höchsten Berg Deutschlands, sozusagen „by fair Man’s“ bezwingen. Nach meinen Vorstellungen hatte die Idee mit der Zugspitztour nur einen Haken: es könnte sich leicht zur Touristenlatscherei mit Schlangenbildung vor Hindernissen, Ausblicken und anderen örtlichen Gegebenheiten auswachsen – und das bei unserer erstmaligen, einmaligen, wohl nie wieder zu übertreffenden Hochgebirgstour auf die alles überstrahlende Zugspitze. Das jagte mir Schauer über den Rücken, und mir taten jetzt schon die Füße vom Stehen weh.
Aber egal, dass große Ziel vor Augen, fürchteten wir uns vor nichts und nach dem „Beiseiteschieben“ aller Bedenken ging’s los, Richtung Garmisch. Vier Thüringer auf einmaliger Reise, ein Erlebnis welches unübertroffen in unsere Tourengeschichte eingehen sollte. Wir besteigen die Zugspitze und keiner in ganz Thüringen ahnt etwas davon!
Also los geht’s: Als wir in Garmisch ankommen und vor dem Olympiastadion parken, ahnte ich, unser Traum der Begehung, vier unerschrockene Bergsteiger in einsamer Bergkulisse, könnte wahr werden. Was soll ich sagen, es regnet leicht vor sich hin. Weit und breit kein Wandersmann zu sehen, keine
kreischenden Familienverbände, einfach Ruhe – nass aber schön. Unsere Hoffnung, den Gipfel aller Gipfel zu besteigen, ist trotz Scheißwetter (Entschuldigung) ungebrochen. Noch wissen wir ja nicht, dass es oben kräftig schneit. Nur so eine kleine Ahnung trägt jeder in sich.
Partnachklamm. Reisende Wasser, feuchte glitschige Felswege, Kopf einziehen, staunend, Regen von oben, Wasser von allen Seiten, egal. Wir vier einsamen Bergsteiger auf den ersten gewaltig anzuschauenden Metern unserer Tour, an einem Mauthäuschen vorbei, aber völlig allein in grandioser Natur. Die Sache ändert sich etwas weiter oben im Reintal. Eine wunderschöne Tallandschaft, ein rauschender Gebirgsbach, Wald, der immer wieder die Sicht auf steil aufragende Felswände freigibt, und eine etwa 20köpfige, jugendliche Wandergruppe gleich vor uns. Wenigstens der Regen hört auf. Die Letzten der Gruppe vor uns laufen etwas seltsam. Als wir näher kommen sehen wir, dass ein etwas „Beleibter“ von mehreren Leuten gezogen, gedrückt und geschoben wird.
Ich denke mir so, hier auf eigentlich brettebener Strecke ein schlechter Beginn für eine Tour Richtung Deutschlands höchstem Punkt. Da wird viel Wille notwendig sein, um noch ein Stück des Wegs zu schaffen. Aber irgendwie sind alle noch begeistert und wollen, das ist Ziel der Gruppe, gemeinsam die
Zugspitze bezwingen. Von dem „Beleibten“ ist allerdings nicht so viel zu hören, eher stöhnende Geräusche sind zu vernehmen, also geben auch wir gute Ratschläge, dass man das mit einer so guten Truppe und etwas Durchhaltevermögen durchaus schaffen kann. Beim Blick in die Augen des Gezogenen lasse ich den Spruch mit dem guten Willen lieber weg. Immer wenn wir eine Brotzeit machen, schiebt sich der Zug- und Schubverband wieder etwas heran. Dann sehen wir die Reintalangerhütte, 1.366 m ü. NN. Schön. Tibetanische Gebetsfahnen wohin man schaut, trüber,
wolkenverhangener Himmel, wir fühlen uns wie vor einem der gefürchteten Wetterumschwünge am Nanga Parbat. Nur was machen wir um 14 Uhr hier? Gehen wir lieber weiter zur Knorrhütte? Freundliche Wandersleute sagen uns, dass die Knorrhütte jetzt, Anfang September, kein Brennmaterial mehr hat und wir dort im Kalten sitzen müssten. Kalte Räume, kaltes Bier, nasse Klamotten, wir bleiben in der von Tibetischen Gebetsfahnen umwehten und von einem Sherpa bekochten Angerhütte und blicken auf die zweithöchste Wand der Ostalpen, die 1.450 m hohe Hochwanner-Nordwand. Leute, in diesem Moment sind wir eins mit den größten Bergen, Bergsteigern und ihren dramatischen Erlebnissen auf diesem Planeten.
Das dreißig Mann Bettenlager, auch ein dramatisches (traumatisches) Erlebnis, wird bezogen und dann geht’s zum gemütlichen Teil über. Alle nassen Klamotten und diverse Bergschuhe hängen und stehen um den heimeligen Kachelofen in der Gaststube. Wir schauen uns noch ein wenig den hier breiter werdenden Talboden an und sitzen dann bei Weißbier, Obstler und gutem Essen in der derzeit wärmsten Gaststube des Wettersteingebirges. Es wird gemütlich. Mit ein paar Bergwanderern aus Bischofsheim/Rhön wird getratscht bis sich die Balken biegen. Ich kann mich noch erinnern, dass sich einer ein T-Shirt für über 30 Mark auf der Zugspitze gekauft hat. Wert höchstens 10, aber irgendwie hatte der nichts mehr zum Anziehen dabei oder alles war nass und dann ist die Touristenfalle zugeschnappt. Die Jugendgruppe war dann auch da. Der „Beleibte“ hat nach einer gewissen Zeit der Körperberuhigung für sich festgestellt, dass die Besteigung hier ein Ende hat und er morgen Früh die erklommenen 658 Höhenmeter wieder absteigt. Gut so, denk ich. Auch mit schieben, zerren und drücken und viel gutem Willen wär’s wohl nichts geworden. Und die Rettungsflieger haben ja auch mal Wochenende. Punkt. Gott beschütze die Hubschrauberpiloten und fliegenden Ärzte!
Wie wir so lustig beisammensitzen, eröffnet uns der Wirt: „Auf der Zugspitze liegt ca. 1 m Schnee; meldet das „Münchner Haus“ und „ein Aufstieg ist bei diesen Bedingungen wohl nicht zu machen“. Die gute Laune sackt dramatisch ab. Wir, die 4 besten Thüringer Bergsteiger in 1.366 m Höhe, geschlagen. Vergleiche kommen in uns hoch: Erfrorene Gliedmaßen; völlig erschöpfte Bergsteiger verenden einsam in dunklen Schluchten; die Suchtrupps stellen nach 2 Wochen die Suche ergebnislos ein. Ötzi kommt uns in den Sinn. Etwas Trost, auch Reinhold Messner musste schon umkehren. Das war’s. Bis zum nächsten Versuch in einem Jahr. Dann geschieht das Wunder vom Reintal! Ein Vermummter betritt die Stube. Ich denke: Sind wir im Krieg, geht’s gegen Österreich. Eine bange Frage, was will die Bundeswehr hier? Ein Mann, hat der sich verlaufen? Nach einem kurzen woher und wohin kommt heraus, dass „Er“ nicht alleine ist. Es sind so ca. 70 Mann da. Ich denke: Überfall, haltet Eure Gläser fest, selbst mit zusammenrücken wird das knall eng. Die Truppe ist aus Schneeberg im Erzgebirge, Gebirgsjäger, die auf die Zugspitze wollen oder müssen oder weil es bei Ihnen so im Ausbildungsplan steht. Gunter, denk ich, die hat uns der Himmel geschickt. Ich frage noch mal vorsichtig nach: „Bei jedem Wetter? Ja. Für Gebirgsjäger spielt das Wetter gerade in der Ausbildung überhaupt keine Rolle“. Wann geht Ihr morgen früh los? „Ca. halb 7 Uhr“. Kumpels, sag ich, wir gehen um halb acht. Der Weg wird wie von Geisterhand in den Schnee getrampelt sein. Wirtschaft, Bier, wir steigen auf! Gipfel wir kommen! Gott liebt die Thüringer und vor allem die aus dem Raum Meiningen. Eine Runde Obstler. Schnell ist zusammengerückt. Werden Durst haben die Soldaten. Es wird eng, es wird verdammt eng. Auf den Tischen, 70 Sturmgewehre. Man kann sein Bierglas kaum noch abstellen. So geht das nicht. Kein Platz zum Kneipen-lustig-sein. Draußen werden Tische zusammengerückt. Einer wird abkommandiert, Waffen sammeln und aufpassen, dass die Geliebten der Soldaten nicht abhandenkommen. Fachsimpelei, sind die anders oder gar besser als unsere Kalaschnikows, früher, bei der Verteidigungstruppe der Warschauer Vertragsstaaten? Fragen über Fragen deren Wert hier völlig ohne Bedeutung ist. Viele der Gebirgsjäger haben einfach die Schnauze voll von der Schinderei. Freiwillig würden die sich nie melden für so eine Einheit. Andere sind begeistert. Wie’s halt so ist. Wir Thüringer haben uns hier freiwillig gemeldet, wir schinden uns gern bis zum Gipfel und kriegen nicht mal Sold dafür. Nach viel Gesang und Helau ist Zapfenstreich für die Truppe aus Schneeberg und alle verlassen mehr oder weniger geordnet die Hütte. Die Belagerung wird aufgehoben. Es wird draußen unter Zeltplanen geschlafen und das Losungswort für die Nachtwache ist „Schinder-Hannes 2000“. Passt. Auch wir werden aus der Gaststube vertrieben, obwohl’s eben noch sooooo schön war. Deutschland, es wird immer schlimmer. „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich …“. Wenn nicht alles seinen geordneten Gang geht, so
nach Hüttenordnung und sonstigen Gesetzeswerken, ist uns der Untergang gewiss. Die Hütte wird dicht gemacht, wahrscheinlich sogar abgerissen, um nie mehr einen solchen Frevel zuzulassen. Bierausschank nach 22 Uhr auf einer strategisch wichtigen Höhe von 1.366 m ü. NN, an der Außengrenze Deutschlands. Das geht gar nicht, so scheint es zumindest der Wirt zu sehen, denn Bergkameraden und Gäste hätten sich nicht beschwert, noch ein von dem tibetischen Mann gezapftes Bier zu sich zu nehmen. Wir legen uns in die 30-Mann Kabine. Und weil wir gerade noch über die Losung der Gebirgsjäger grinsen, gebe ich unsere Losung für morgen aus: „Bauer mäht, Fleischer schlacht, ein dreifach Hoch der Sowjetmacht“, Gute Nacht.
Mitten in tiefster Nacht, so gegen 6 Uhr, spielt jemand ein Zitter-Solo, dann kommen noch zwei Gitarren dazu. Ich frage etwas lauter, was das für ein Lärm auf dem Flur ist. Da schallt es gleich mehrfach zurück: „Der Wirt spielt Frühs immer auf, ganz persönlich und zur Erbauung der Bergwanderer, einmalig so was“. Stimmt, so was gibt’s nur hier in Bayern. Was wird uns dieses Wochenende noch bringen? Also lausche auch ich, dem Erstickungstod im 30-Mann Zimmer nah, den lieblichen Heimatklängen. Wenn nicht irgendjemand das Fenster aufmacht, ist das wohl die letzte Musik, die ich in diesen Leben hören werde. Schade eigentlich, ich stand immer auf Pink Floyd. Trotzdem, später einmal denke ich: Das ich das noch erleben durfte!
Dem Gedränge und den überhöhten Preisen in der Hütte entgehen wir, indem wir unsere mit Thüringer Wurstbüchsen bepackten Rucksäcke nehmen und den musikalischen Wirt samt seinem tibetanischen Koch mit einem ordnungsgemäßen „Grüß Gott“ Richtung Knorrhütte verlassen. Und wir verlassen die Hütte hinein in einen strahlenden Sonnentag. In der Enge der Hütte und des Reintales ist das bisher noch gar nicht so richtig bis zu uns vorgedrungen. Stahlblauer Himmel, keine Wolke, die klarste Luft seit Menschengedenken und oben in der Ferne im blendend weißen Schnee, die Gebirgsjäger, aufgereiht wie an einer Perlenschnur und einen wunderschönen Pfad hinterlassend. Ein Gefühl, unbeschreiblich. Gipfel wir kommen, der Sieg wird unser sein oder so ähnlich, schießt es uns durchs Hirn. Vor uns der Talschluss, die Wiesen mit Raureif überzogen geht’s steil bergauf zur Knorrhütte. Anstrengend das Stück. Die Sicht wird weiter. Alle paar Meter, Postkartenblicke. Auf der Knorrhütte angekommen, sind wir alle wieder zusammen. Die Gebirgsjäger und wir. Ein Wasser, ein Radler, ein Orangensaft – lustiger Austausch über den gestrigen Abend. Dann müssen die Gebirgsjäger weiter, Spur machen. Wir bleiben noch ein bisschen, da wir keine Führungsarbeit übernehmen wollen, und siehe da, einer von der Gebirgstruppe hat seine Gebirgsjägerfelddiensthauptjacke hängen lassen. Wenigstens haben sie die Gewehre mitgenommen. Eins ist klar, bei Mitnahme der Jacke durch Thüringer Gebirgswanderer springt für jeden mindestens ein Radler raus. Da auf solchen Jacken ja der Name steht, kam’s dann auch so. Nach Rufen des Namens bei „Sonnalpin“ auf 2.600 m, mitten im Touristenrummel fand der Soldat, zur Freude seiner ganzen Einheit, wieder zu seiner Jacke.
Der Weg bis hierhin war ein einzigartiges Bergerlebnis. Von den Gebirgsjägern mal abgesehen, ziemlich allein, mit kurzer Hose, Gamaschen und Boxershorts in gleißendem Schnee übers Zugspitzblatt. Die Berge öffnen sich dort und geben immer weitere Blicke frei. Gleichzeitig der tiefe Blick ins enge Reintal. Schneebedeckte Gipfel in klarstem Sonnenschein, unglaublich! Glücksgefühle in
einsamer Bergwelt. Die Stille nur kurz unterbrochen durch herabbollernde Steine der umgebenden Hänge.
Zugspitzplatt und Sonnalpin: Radler, Menschenmengen, original bayerische dicke Backenmusik, ein Trubel wie auf dem Jahrmarkt. Wir schauen hoch zum Zugspitzgipfel, in einen fast schwarzen Himmel. Der Aufstiegshang, vorbei am Schneefernerhaus, tief verschneit. Was für ein Anblick. Die Gebirgsjäger wollen nicht mehr weiter und wir müssen uns selbst hoch kämpfen oder Seilbahn fahren, zum Gipfel. Kurze Beratung. Karl-Heinz und Norbert fahren Seilbahn. Jörg und ich probieren den Aufstieg. Ohne Gepäck, dass nehmen die anderen mit. Auf geht’s zum finalen Anstieg. Zuerst einen unwahrscheinlich langen Schuttkegel hinauf. Zwei Schritte hoch einer zurück. Unheimlich kraftraubend. Bescheuert die Bergsteiger. Aber langsam verschwindet Sonnalpin kleiner werdend im Talkessel des Zugspitzblatts. Dort wo der Schutt aufhört, fängt ein sonst sicher gut begehbarer Felsensteig an. Seilgesichert, leicht ausgesetzte Genusskletterei. Nur heute, alles zugeschneit. Seile schauen ab und an mal kurz aus dem Schnee. Mit ein wenig Vorsicht geht’s im weichen Schnee aufwärts zum Grat. Die Geräusche, welche wir dabei machen, hat irgendjemand auf der anderen Seite gehört. Es wird gerufen, wie weit es noch bis zum Gipfel ist. Ich antworte, keine Ahnung. Von hier ist irgendwie der Gipfel nicht zusehen. Die denken wahrscheinlich, ich spinne, aber es ist so. Dann kommen sie von der österreichischen Seite hochgeklettert, „Grüß Gott“ und weiter auf dem Grat Richtung Gipfel. Kaum Zeit zum Umschauen. Ich sitze derweil auf einem perfekt einbetonierten Grenzstein. Die Deutsche Bürokratie hat ganze Arbeit geleistet. Ein Grat, 1 m breit und fast 3000 m hoch ordentlich versteint. Unser „Vermesser“ Norbert, der gerade Seilbahn fährt, würde glasige Augen bekommen. Welcher Feldgeschworene hat den hier wohl in den Fels eingebracht. Darüber ließe sich sicher auch eine Geschichte schreiben. Also sitze ich halb in Österreich halb in Deutschland und betrachte mir die unglaubliche Natur. Keine Stimmen sind zu hören. Bergeinsamkeit pur. Das sollte sich gleich ändern. Ein Stück auf dem Grat entlang, und plötzlich öffnet sich der Blick auf den komplett sanierten, technisch eindrucksvoll bebauten Vorgipfel. Unter klatschendem Beifall einer mittelgroßen Menschenansammlung, geht’s eine Gitterrosttreppe hinauf, es wird über die verschlossene Tür geklettert und wir sind, bei Sonnenschein, auf der weltgrößten Touristenansammlung zwischen Nordkap und Namibia. Wir sind zwischen Kleinkindern und Rentnern in Badelatschen, Familienvätern mit unwahrscheinlichen Bergkenntnissen und Spezialfotoausrüstung tragenden Japanern angekommen. Ein Hoch auf Deutschlands höchsten Gipfel. Aber halt, noch war’s das nicht! Schnell die Touristenplattformen überschritten, über eine weitere Zugangstür geklettert, geht es über einen schmalen Verbindungsgrat und einem seilgesicherten kleinen Felsaufstieg auf den mit einem goldenen Gipfelkreuz geschmückten nun wirklich höchsten Punkt Deutschlands. Geschafft. Zugspitze wir haben Dich erobert. Berg Heil, Kameraden!
So ein Tag, ein ungeahnter Blick in die fernen Alpengebirge und ins Voralpenland. 160 km glasklare Sicht nach allen Seiten. Trotz aller durchschrittenen Gefühlswelten beim Aufstieg, ein einmaliges Erlebnis. Hier könnte jetzt Schluss sein. Ist es aber nicht! Das mit den Gefühlswelten sollte noch nicht das Ende sein. Nein Deutschlands höchster Punkt hat noch mehr zu bieten.
Wir klettern zurück auf die Touristenplattform, suchen uns zwischen den tausenden Bergbegeisterten einen schönen Platz zum Schauen und packen, völlig überwältigt und nun auch hungrig, unsere Thüringer Büchsenwurst, selbst geschlachtet, aus. Dies erblickt ein vorbeieilender Kellner-Geselle. Er weist uns sehr ernsthaft darauf hin, dass der Verzehr selbst mitgebrachter Speisen verboten sei. Jörg, welcher der Büchsenhersteller und Träger derselben über eine Höhendifferenz von 2.254 m war, hat ihn dann gefragt, ob er bei günstigem Aufwind gleich hier vom Geländer aus, nach Garmisch segeln könnte. Er hat dann wohl aus Überlegung seiner Fluguntauglichkeit für jeden eine Radlermaß gebracht und die Büchsenwurst im Weiteren unerwähnt gelassen.
Der krönende Abschluss der Tour kam dann beim Wirt des Münchner Hauses. Dieser eröffnete uns, dass am Wochenende nur Alpenvereinsmitglieder auf der Hütte nächtigen dürfen. Gemeine Bergtourengeher könnten, trotz gähnender Leere in besagtem Haus, nicht aufgenommen werden. Ihnen bleibt nur die Fahrt mit der Seilbahn zurück ins Tal. Nach meiner Frage was der Blödsinn soll, verwies er auf die Vereinssatzung. Aber wenn keiner da ist, ist das doch vollkommen wurscht, oder? Jedenfalls war’s nichts mit Sonnenaufgang auf der Zugspitze am nächsten Morgen. Ich glaube, das hat mich viele Jahre vom Eintritt in den Alpenverein abgehalten. Nunmehr wo ich dabei bin, beim Alpenverein, kann ich’s immer noch nicht glauben. Hätte er uns einen Aufnahmeantrag in die Hand gedrückt, wären wahrscheinlich 4 Neuzugänge zu vermelden gewesen. Das hätte unsereiner verstanden, Geschäftssinn, deutscher. Aber der Herrgott, vielleicht war’s hier auch der bayerische Dienstmann Alois „Luja sog i“, hat den Himmel am nächsten Früh eingetrübt. Nichts war’s mit der unendlichen Sicht am Morgen. Gott sei Dank.
Also Abfahrt von Unsinn und überhöhten Preisen. In der Abendsonne gondeln wir Richtung Eibsee und sind trotzdem glücklich über unsere Gipfeltour auf Deutschlands höchsten Berg.
Was soll ich sagen, der Ausklang kam in einem kleinen Dorf etwas abseits von Garmisch in einem Gasthof „Alter Wirt“. Die Bedienung kam aus Sachsen und es war ein Abschlussabend mit vielen lachenden Leuten, keiner Sperrstunde und Erzählungen von Bergtouren, die nur aus dem Märchen kommen können. Bei einem alten Wirt halt.
Ich hoffe Ihr hattet Spaß beim Lesen und seid schon bei der Planung Eurer nächsten Bergtour. Vielleicht auf die Zugspitze, eine klassische Tour auf den höchsten Berg Deutschlands mit überragenden Aussichten in die Bergwelt der Alpen und mit (vielleicht) garantiert überraschenden Einsichten in die deutsche Gesellschaft.
Berg Heil, Gunter.
Im September 2000